Ein gefährliches Hobby
Mit einem gebrochenen Schlüsselbein und einem verletzten Brustwirbel ist Lea Schleifenbaum bisher noch glimpflich davongekommen. Die 22-Jährige ist 4Cross-Fahrerin und an fast jedem Wochenende mit ihrem Mountainbike auf den Rennstrecken in Europa unterwegs.
Lea Schleifenbaum ist eine der erfolgreichsten deutschen 4Cross-Fahrerrinnen. Die Essenerin ist dreifache Siegerin des Mitteldeutschen-4Cross-Cups und war schon für die Nationalmannschaft bei Welt- und Europameisterschaften dabei. Kein Wunder, dass sie bei der »Stadtwerke Night of Sports« für den Preis als »Sportlerin des Jahres 2012« nominiert ist.
Lea, du bist erfolgreiche 4Cross-Fahrerin. Erklär uns doch mal, worum es dabei geht. 4Cross ist eine Mountainbike-Renndisziplin, bei der immer vier Fahrer gleichzeitig um den Sieg fahren. Das ganze findet auf einer kurzen Strecke statt, die aus zahlreichen Sprüngen, Kurven, Hügeln und Wellen besteht. Die beiden Schnellsten erreichen immer die nächste Runde.
Klingt ziemlich anstrengend. Das ist es auch. Man steht am Start, wartet auf das Startsignal und geht dann direkt von 0 auf 100. Dabei muss man nicht nur Gas geben und auf die Strecke achten, sondern ständig aufpassen, wo die anderen Fahrerinnen sich befinden und an welcher Stelle man überholen könnte. Es kann passieren, dass selbst der Erste im Rennen doch Letzter wird, weil er sich kurz vor dem Ziel hinlegt und alle anderen vorbeifahren.
Du machst das ganze Semi-Professionell. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass ich unter professionellen Bedingungen trainiere und Meisterschaften fahre, aber nicht davon leben kann. In Deutschland gibt es sowieso nur drei Männer und eine Frau, die das können. Ich habe zwar einige Sponsoren, die mich mit Material unterstützen, aber meinen Lebensunterhalt verdiene ich unter der Woche als Industriekauffrau.
Wie oft fährst du Rennen? Im Sommer bin ich fast jedes Wochenende unterwegs, teilweise auch im Ausland. Dieses Jahr war ich bei der World Pro Tour in Belgien und auch in Italien, Österreich und Holland.
Was ist für dich das Besondere an diesem Sport? Neben dem Sport, der natürlich riesigen Spaß macht, ist es auch das Gemeinschaftsgefühl, was alle verbindet. Die Rennwochenenden sind eigentlich wie ein Campingurlaub mit Freunden. Das ist wie ein großes Familientreffen. Abends wird gegrillt und man sitzt zusammen am Lagerfeuer. Da entstehen natürlich viele Freundschaften. Tagsüber werden dann die Rennen ausgetragen, bei denen es schon oft hart auf hart kommt. Jeder will natürlich gewinnen, aber abseits der Strecke verstehen sich eigentlich alle gut.
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Du bist ziemlich erfolgreich und hast in diesem Jahr zum dritten Mal die Gesamtwertung des Mitteldeutschen 4Cross-Cups gewonnen. Außerdem hast du im Mai auf dem Essener Kennedyplatz beim Ruhrpott-4Cross-Cup den Sieg geholt. Wie war das für dich? Oh ja, das war für mich wirklich etwas ganz Besonderes, da ich zum ersten Mal vor heimischem Publikum gefahren bin. Viele Essener haben endlich mal gesehen, was ich da eigentlich mache. Deshalb wollte ich auch unbedingt gewinnen. Es war schon ein tolles Gefühl, als ich im Finale durch die Ziellinie gefahren bin und meine Freunde und Arbeitskollegen laut gejubelt haben.
Du bist auch in diesem Jahr wieder bei der Sportgala »Stadtwerke Night of Sports« für die Auszeichnung in der Kategorie »Beste Sporterlin 2012« nominiert. Ich habe mich riesig gefreut, als ich gehört habe, dass ich wieder mit dabei bin. Im letzten Jahr war ich schon als Newcomerin nominiert, dieses Mal sogar als Sportlerin des Jahres. Ich bin schon total aufgeregt. Ich bin eigentlich etwas überrascht über diese Ehre, ich mache ja eigentlich nur das, was mir Spaß macht.
Keine falsche Bescheidenheit, immerhin hast du es in deiner Disziplin sogar bis in die Nationalmannschaft geschafft. Erzähl uns davon. Im Nationalteam zu sein, ist schon immer etwas ganz Besonderes. Man hat einen eigenen Betreuer, der sich rund um die Uhr kümmert und ein ganz eigenes Zelt. Auf allen Dingen, wie z.B. Trikot oder Schlüsselanhänger, ist die Deutschlandflagge zu sehen. Das ist schon echt ein cooles Gefühl und eine Wahnsinns-Ehre.
Wie ist es denn eigentlich dazu gekommen, dass du heute erfolgreich 4Cross fährst? Durch meinen Vater, der selbst früher viel gefahren ist, kam ich zum Mountainbike. Seitdem ich 16 bin, nehme ich jede Saison am Mitteldeutschen-4Cross-Cup teil. Zu Beginn war mein Vater total dagegen, weil er dachte, dass dieser Sport nichts für mich sei. Aber heute unterstützt er mich total bei dem, was ich mache und ist mein größter Fan.
Als Frau bist du sicherlich in der Minderheit bei diesem Sport, oder? Die Männer sind natürlich in der Überzahl, aber das hat sich in den letzten Jahren verbessert. Früher bin ich bei Rennen auch oft gegen Männer angetreten, weil so wenige Frauen teilgenommen hatten. Aber mittlerweile gibt es immer mehr Frauen, die 4Cross fahren.
Sind die Rennen nicht ziemlich gefährlich? Der Sport ist schon extrem gefährlich, obwohl man einen Schutz-Helm und am ganzen Körper Protektoren trägt. Man kann sich bei einem Sturz schnell verletzen und sich die Knochen brechen. Die Regeln sind so, dass man zwar immer seine Hände am Lenker haben muss, aber das Stoßen und Wegdrücken mit den Ellbogen erlaubt ist. Es gibt dabei immer ein paar Verrückte, die es übertreiben. Blaue Flecken an Armen und Beinen bleiben da nicht aus. Im Sommer mit einem Rock zur Arbeit gehen, kann ich daher leider gar nicht (lacht).
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Was waren denn deine schlimmsten Verletzungen? Mit einer Verletzung am Brustwirbel und einem Schlüsselbeinbruch bin ich bisher noch ganz gut davon gekommen. Ganz anders erging es in diesem Sommer meinem Freund, der ebenfalls 4Cross fährt. Nach einem bösen Sturz kam er plötzlich mit zwei Gipsarmen aus dem Krankenhaus. Glücklicherweise wurde nach drei Wochen erkannt, dass nicht beide, sondern nur ein Arm gebrochen war.
Dein Freund fährt auch 4Cross? Ja, ich habe ihn natürlich bei einem Rennen kennengelernt. Wir trainieren oft zusammen und am Wochenende fahren wir gemeinsam zu den Rennen.
Früher bist du sogar zusammen mit deiner Schwester gefahren. Ja, mit meiner kleinen Schwester Kiona, die heute 18 Jahre alt ist. Wir haben damals das Team »MTB Racing Sisters« gebildet, hatten eigene Trikots und waren berühmt-berüchtigt. Das war eine schöne Zeit. Leider hat sie aufgehört, worüber ich immer noch etwas traurig bin.
Hast du denn überhaupt noch Zeit für andere Sachen im Leben, wie zum Beispiel Urlaub, Hobbys oder Freunde? Sehr wenig, denn wenn man morgens arbeitet, nachmittags trainiert und am Wochenende nur unterwegs ist, bleibt da nicht mehr viel übrig. Mein ganzer Urlaub geht schon für das 4Cross-Fahren drauf.
Zum Abschluss noch ein Blick in die Zukunft. Möchtest du noch Profi werden? Wenn mir jemand anbieten würde, Profi zu werden, wüsste ich gar nicht, ob ich das wirklich machen würde. Ich fahre 4Cross lieber als Hobby, denn so ist das wirklich ein toller Ausgleich zum Bürojob. Ich weiß nicht, ob es mir noch so viel Spaß machen würde, wenn ich den Druck hätte, dass ich jeden Tag trainieren muss. So freue ich mich, wenn ich nach der Arbeit noch etwas fahren kann. Wenn ich aber zum Beispiel mal eine Woche lang keine Lust habe, dann setze ich mich nicht unter Druck. Das Beste daran ist, dass die Rennen am Wochenende kein Zwang sind, sondern immer wie ein kleiner Urlaub vom Alltag.
> facebook.com/Schleifenbaum-Racing